Brief an eine Verstorbene. In Gedenken an Mella Dumont

Liebe Mella,

seit ein paar Tagen weiß ich, dass du die irdische Welt am 7. April 2020 verlassen hast. Du bist nur 44 Jahre alt geworden.

Dein letztes Foto hast du am 12. März 2020 auf Facebook und Instagram gepostet. Es ist eine etwas verwackelte Aufnahme eines Untersuchungsraums (?)  im Krankenhaus, von einem (deinem?) Bett sieht man nur ein kleines Stück.

„Krankenhaus“ hast du dazu geschrieben. Mehr nicht.

Im Beitrag davor war von Männergrippe am Frauentag die Rede, von einer fiesen Bronchitis und „ordentlich“ Fieber.
Mehr weiß ich nicht und mag auch nicht herumspekulieren. Es würde nichts ändern.

Wichtig sind andere Sachen.

Es tut mir so leid. Für dich, für deine Angehörigen, deinen Freundeskreis und deine Katzen. Auch für deine unzähligen LeserInnen, die nun keine neuen Romane von dir werden lesen können. Bestimmt hattest du mindestens einen in Arbeit, wie eigentlich immer, seit du mit dem belletristischen Schreiben begonnen hast.


44 Jahre, das ist so jung. Viel zu jung. Viel zu früh. Ich erinnere mich noch an unser Telefonat am Abend vor deinem 40. Geburtstag. 40 ist ein tolles Alter, finde ich. Du hattest Kuchen gebacken, warst guter Laune, erzähltest von Plänen und Projekten und gabst mir wertvolle Tipps zu einem Plot.

Wir beide haben uns 2012 auf Twitter kennengelernt, das ist acht Jahre her.

Damals gab es noch keine Mella Dumont. Es gab dich als Frau mit deinem privaten Namen, welchen ich hier nicht nenne, weil ich nicht weiß, ob dir oder deiner Familie das recht wäre.

Du hattest einen herrlichen, klugen Humor, twittertest übers Laufen, über Ponys, deinen Neffen, schlechtes Fernsehen, Getränke-Experimente, die Fußball-Europameisterschaft und viele andere Dinge. Unser Kontakt war recht rege damals, wir hatten auf Twitter viel Spaß miteinander. Dir gefielen die Fotos meiner selbstgehäkelten Figuren. Du hast Kurzgeschichten von mir gelesen, besonders eine gefiel dir richtig gut. Du warst an meiner Arbeit als freiberufliche Texterin interessiert. Dabei hatte ich gar nichts Großartiges vorzuweisen.

Dein erstes Selfpublishing-Buch entstand irgendwann zwischen Weihnachten 2012 und Neujahr 2013, glaube ich. Es war ein Ratgeber zum Laufen, den du in Überschallgeschwindigkeit fertiggestellt hast. Es folgten weitere Ratgeber zu Sachthemen, mit denen du dich auskanntest. Eins der Bücher wurde ein richtig großer Erfolg, sogar einen wichtigen Selfpublisher-Preis hast du damit gewonnen.

Aber da war noch etwas anderes, was du machen wolltest: Romane schreiben.

Und das tatest du.

Dein erster Liebesroman, der so viel mehr war als „nur“ das, erschien unter einem Pseudonym. „Irgendwie“ kam es dazu, dass ich die zweite Person war, die für dein Romandebüt ein Lektorat und ein Korrektorat durchgeführt hat. Schon damals wurde mir schnell klar, dass du die Sache ernst nimmst, selbstkritisch bist und wissbegierig. Da war mir zum Beispiel in den ersten Kapiteln ein bestimmtes, nebensächliches Thema zu präsent. Ich sprach dich darauf an, mit einer Ahnung im Hinterkopf. Diese Ahnung hat mich nicht getäuscht. Das Thema hatte mit einer deiner persönlichen Schwächen zu tun. Du hast meine Kritik angenommen und das Thema reduziert.

Auch die Ratschläge, die ich dir erst zurückhaltend zur Absatzformatierung gab, weil viele Schreibende sich dafür wenig bis gar nicht interessieren … diese Ratschläge wolltest du alle hören.

„Nein, sag, das ist wichtig!“, war deine Reaktion.

Dann wolltest etwas anderes ausprobieren. Einen Thriller wolltest du schreiben, in den du berufliches Fachwissen einfließen lassen kannst. Und so schriebst und veröffentlichst du diesen Thriller in Rekordzeit. Er erschien unter einem neuen Pseudonym.

Überhaupt warst du eine Frau, die die Dinge wirklich anpackte. Die ihre Ideen umsetzte. Nicht lange fackelte, sondern losschrieb. So ganz anders als ich, die sich dreht und windet, zweifelt und viel zu viel denkt.

Du wolltest deine Cover selbst gestalten. Erste Schritte in Photoshop, erste Fragen, Flüche, egal. Du hast weitergemacht und schließlich wunderschöne Cover gestaltet in deinem ganz eigenen Stil. Wiedererkennungswert, auch so etwas Wichtiges, was du schnell verstanden hast.

Ja, du hast als Autorin alles richtig gemacht.

„Wie findest du ,Mella Dumont‘?“, fragtest du mich eines Tages per Direktnachricht auf Twitter.
„Super!“, antwortete ich und meinte es auch so.

Dieses Pseudonym blieb bis zum Schluss.

Ein neuer Liebesroman entstand. „Herzensrache“.

2014 entstand „Himbeermond“, ein Urban-Fantasy-Roman. Es war und ist der erste Band der Colors-of-Life-Reihe. Eine Trilogie wolltest du schreiben, hattest du mir mal geschrieben. Es wurden schließlich sechs Bände. Obendrauf zwei eigenständige Spin-off-Romane. Zwischendurch und parallel zur Überarbeitung eines Color-of-Life-Romans schriebst du mal eben in wenigen Wochen einen Zeitreiseroman, reichtest ihn 38 Minuten vor Ende der Deadline zur Teilnahme am Kindle-Storyteller-Award 2015 ein und wurdest damit für die Shortlist ausgewählt. Wahrscheinlich war niemand so knapp dran wie du.
Was dann passiert ist, überraschte dich selbst: Von über 1000 Einsendungen ist „Als die Zeit vom Himmel fiel“ als einer von fünf Romanen in die Shortlist aufgenommen worden.

Du wolltest unbedingt eine Dystopie schreiben und hast es gemacht. Zwei Bände Siebensterne, „Isle of Seven“ und „Isle of Us“.

Und, und, und …

Du hast so viel Erstaunliches geleistet, liebe Mella. Klar, du hattest auch deine schwierigen Momente, am Anfang, als es Neider und Kritiker, 1-Sterne-Rezensionen und Schmäh-Kommentare gab. Menschen, sogar scheinbare Freunde, auch im echten Leben, die nicht ernstgenommen haben, was du tust. Du hast schlecht geschlafen deswegen. Geschimpft. Vielleicht auch gezweifelt. Dich geärgert. Wütend warst du, ja.

Aber du hast weitergemacht. Dich nicht unterkriegen lassen, stoppen schon mal gar nicht. Du hast deine Erfolge gefeiert, mit Recht. Den ersten Platz-1-Kindle-Bestseller mit Schampus, wie sich das gehört. Ich habe es dir so gegönnt und mich mit dir gefreut. Habe endlos gestaunt.

Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind seit 2014 von Mella Dumont 18 (!) Romane veröffentlicht worden. Es gab Zeiten, da sah ich mehrere deiner Romane gleichzeitig in den Top 100 bei Amazon. Immer wieder warst du auf Platz 1 zu finden, manchmal wochenlang.

Ganz oft habe ich mich gefragt, wie du das schaffst. Wo Mella Dumont so viel Energie, Willenskraft, Durchhaltevermögen, Zeit und Kreativität hernimmt.

Aber diese schriftstellerische Leistung, die du vollbracht hast, sie war nicht alles, was dich ausgemacht hat. Da war auch dieser besondere, aufmerksame Mensch, der mir bei einmal sehr geholfen hat und den ich gerne einmal persönlich getroffen hätte. Ja, wirklich, sehr gerne. Ich weiß nicht, ob wir uns im echten Leben gut verstanden hätten. Vielleicht nicht. Vielleicht doch. Wir waren sehr verschieden. Eventuell hätten wir uns ganz gut ergänzen können. Ich hätte dich gerne so viele Sachen gefragt, aus deinem Leben, über dich. Hätte gerne deine Geschichte gehört. Und mit dir gelacht und gequatscht, nachgedacht, Ideen ausgebrütet und spazieren gegangen.

Nun ist es zu spät dafür.

Vielleicht sehen wir uns eines Tages, dort, wo du jetzt schon bist.

Und dann möchte ich dich etwas ganz Besonderes fragen.
Etwas, das Lebende nicht beantworten können.

Heidi.

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