Der Roman, den ich mit einem Finger tippte
oder Das Jahr kann dann mal weg

Selbstverständlich gab es für meinen zweiten Roman einen Plan. Der erste, grob umrissene Entwurf stand im Spätsommer 2017, nachdem ich mich halbwegs von der Top-100-Platzierung meines Romandebüts „Ein Herz aus Marmelade“ bei Amazon erholt hatte. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit solch einem Erfolg. Ich kenne Selfpublisher*innen, die über Wochen, teils über Monate mit einem oder gar mehreren Werken in den Bestsellern vertreten sind. Bei mir war es nur ein sehr kurzer Zeitraum, von dem ich aber bis heute zehre.

Nun, der neue Roman jedenfalls sollte spätestens im Herbst 2018 erscheinen. In der mir zur Verfügung stehenden Zeit wäre es absolut schaffbar gewesen. Einen Entwurf zu haben, das ist grundsätzlich ja schon mal gut. Jedenfalls ist es besser als nichts, und so schrieb ich ab Herbst 2017 die ersten Kapitel. Testweise, sozusagen. Korrigierte, fand alles blöd, überarbeitete den Plot, schrieb bis zum März dieses Jahres alles neu und kündigte meinen Testleser*innen das baldige Eintrudeln der Manuskript-Datei an.

Bis ich Blasen an den Händen bekam.

Das mag sich für Sie anhören wie ein Scherz. Es mag so klingen, als wöllte ich Ihnen damit symbolisieren, ich hätte zu viel und zu schnell getippt. Das alles trifft nicht zu. Es waren allerdings keine Blasen, sondern winzig kleine Bläschen, davon aber viele. Sehr, sehr viele. Sie breiteten sich beinahe über Nacht explosionsartig an den Innenflächen beider Hände aus, an allen Fingern, sie waren überall. Kleine, fiese, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen, mit denen ich schon 2017 Bekanntschaft gemacht hatte. Es ist eine Symptomatik eines Handekzems mit dem herrlich nichtssagenden Namen „Dyshidrosis“. Googeln Sie das gerne, meinetwegen nutzen Sie die Bildersuche, und wenn Sie über eine robuste Ekelschwelle verfügen, dann werfen Sie mal einen vorsichtigen Blick auf die schwerste Form.

So sahen meine Flossen im Endstadium aus.

Der Verlauf war einigermaßen vorhersehbar. Dachte ich. Am Ende übertraf er alles, was ich in 2017 damit bereits erlebt hatte.
Diese Bläschen platzen irgendwann auf. Wenn sie das nicht von selbst tun, dann ist das so wie mit der Akne in der Pubertät: Obwohl man idealerweise die Finger davon lassen soll, beginnt man wie unter einem irren Zwang, die Bläschen zu öffnen. Entzündungen folgen, gepaart mit einem Juckreiz, der direkt aus der Hölle kommt. Irgendwann war es mir wirklich egal, ob ich mir beim Kratzen die Finger womöglich breche oder das Fleisch bis auf den Knochen wegschrubben muss, damit das aufhört. Die Kortisonsalbe, die mir meine inzwischen ehemalige Hautärztin, deren Support ein weeeeeenig zu wünschen übrigließ, anfangs verordnete, änderte übrigens nichts daran. Die Entzündungen blieben oder verhornten sich, irgendwann sahen meine Hände aus wie die eines 200 Jahre alten Reptils mit schlimmer Neurodermitis, Verhornungen rissen oder brachen auf und hinterließen tiefe, schmerzhafte, blutende Risse in der Haut.

Was auch immer ich anfasste, öffnen wollte, berührte, verursachte noch mehr Schmerzen und noch mehr Wunden, in denen reines Leitungswasser brannte wie purer Zitronensaft. Ich aß fast nichts mehr, konnte nicht mehr kochen, nicht mehr abwaschen, nicht mehr putzen und nur unter Qualen duschen. Trug rund um die Uhr Handschuhe, cremte pfundweise und ohne Erfolg. An Gartenarbeit war überhaupt nicht zu denken, ich konnte meine 17jährige Hündin nicht mehr streicheln, keinen Stift halten, nichts mehr. Tippen am PC funktionierte zeitweise maximal mit einem Finger.

Die zweiköpfige Family tat und half, wo und wie sie es konnte. Bevor die beiden frühmorgens zur Arbeit aufbrachen, öffneten sie mir das, was ich zum Überleben brauchte. Milchpackungen und Mineralwasserflaschen zum Beispiel. Joghurts. Spontaner Hunger auf ein Käsebrot? Na klar. Ich hatte ja Zeit, eine Viertelstunde damit zu verbringen, eine Käsepackung erst mal überhaupt zu öffnen und anschließend in Tränen auszubrechen.

Man kann eben nichts mit den Händen tun, ohne sie zu benutzen.

Und als wäre all das nicht genug gewesen: Eine leichte Irritation der Haut am Hals und an den Oberarmen, die durch eine Stunde bei Sonnenschein auf einer Terrasse entstanden war, meinte, sich an dem Fiasko beteiligten zu müssen und uferte fröhlich aus. Beide Arme schwollen an, wurden feuerrot und dermaßen heiß, dass ich locker ein Spiegelei darauf hätte braten können, hätte ich überhaupt mit den Händen ein Ei zerschlagen können. Die Röte wanderte mehr und mehr Richtung Unterarme und Handgelenke, bis sich auf beiden Seiten die Entzündungen von Händen und Armen beinahe knutschen konnten. Ich bekam Fröstelschübe und vielleicht war da erhöhte Temperatur.

Faszinierend, wie blass, still und hektisch meine Hautärztin wurde, als sie mich in diesem Zustand sah. Ab diesem Zeitpunkt gab es noch mehr Kortison, stärkeres Kortison, innen und außen natürlich, viel hilft viel, haha. Die Arme und der Hals besserten sich tatsächlich, waren aber durch das Kortison inzwischen so empfindlich geworden, dass ich in diesem unfassbar heißen, trockenen Mördersommer gezwungen war, immer mit Baumwollhandschuhen und drübergezogenen Lederhandschuhen rauszugehen, um mich beispielsweise nicht an der Hundeleine zu verletzen. Ich konnte mich draußen nur noch langärmlig aufhalten, sicherheitshalber auch nur in langen Hosen, idealerweise noch mit Kapuze auf dem Kopf. Sonnencreme mit den Händen aufzutragen schied als Option aus. Einen verträglichen Sunblocker zu finden, stellte mich vor das nächste Problem. Meine Haut wartete ja förmlich darauf, an gleicher oder anderer Stelle erneut zu eskalieren.

Die Einzige, die sich in diesem ganzen Elend pudelwohl fühlte, war diese olle Zicke, mit der ich seit so vielen Jahren mein Leben teile. Ihr Name ist rezidivierende Depression, sie feierte hämisch grinsend eine Party und suhlte sich in diesem Klima voller eh schon vorhandener Verzweiflung und Schmerzen und zwang mich endgültig in die Knie, sodass ich irgendwann einfach nur noch schlafen wollte, um nichts mehr spüren zu müssen.

Inzwischen besaß ich einen eigenen Schrank voller diverser Handcremes. Ich kaufte und bestellte alles, was mir irgendwie Hilfe suggerierte, beschäftigte mich mit nichts anderem mehr als mit diesem einen Thema. Manchmal sah es danach aus, als wäre sie endlich gefunden, DIE Wundercreme, DIE richtige Pflege, die aus dem, was von der Haut an meinen Händen übriggeblieben war, wieder etwas machte, mit dem ich zumindest jemandem die Hand geben konnte. Doch alle diese wunderbaren und wunderbar teuren Cremes streckten mir spätestens nach drei Tagen die Zunge raus. „Ätschbätsch! Ich habe keine Lust mehr! Such dir was anderes!“, schienen sie mir zurufen zu wollen, jede einzelne von ihnen, und so war es ja gut, dass sich zwischen den circa zwanzig Tuben im Schrank immer eine fand, die zum aktuellen Bedarfsstatus meiner Hände passte. Für die nächsten drei Tage.

„Ja, es sieht schon ganz gut aus, die Haut ist wohl noch sehr trocken. Aber wir arbeiten dran.“

WIR. ARBEITEN. Ein großartiger Satz meiner Hautärztin bei dem letzten Termin, den ich Ende Juni bei ihr wahrgenommen habe. Was damals hauptsächlich fehlte, war eben die ideale Pflege. Aber wie sah „die Lösung“ aus, mit der daran gearbeitet werden sollte? „Nehmen Sie das Kortison weiter wie bisher. Wenn Sie ein neues Rezept brauchen, dürfen Sie wiederkommen.“

Das war’s. In der darauffolgenden Woche saß ich in der Notfallsprechstunde eines anderen Hautarztes, der mich tatsächlich gerettet hat. Die Tabletten wurden innerhalb einer guten Woche ausschleichend abgesetzt, die starke, gel-artige Kortisoncreme durch eine leichtere, geschmeidigere ersetzt, ein neues Handbad verordnet, eine mir bis dahin unbekannte, hervorragende Repair-Creme empfohlen und ein mehrtägiger Allergietest angesetzt.
Es dauerte keine zehn Tage, bis ich endlich aufatmen konnte. Meine Hände begannen zu heilen. Langsam, aber sichtbar. Der Allergietest ergab eine Reaktion auf Kobalt, was im Grunde zu vernachlässigen ist. Es deutet allerdings auf eine allgemein hohe Empfindlichkeit hin. Mit zunehmendem Alter wird die Haut trockener und empfindlicher. Wahrscheinlich habe ich meinen Händen in den Wintermonaten vor dem ganzen Driss und nach dem Abklingen der Symptome in 2017 zu viel zugemutet und zu wenig Pflege gegönnt. Es dauert bis zu einem halben Jahr, bis sich die Haut nach einem akuten Schub regeneriert hat – und das hatte offensichtlich noch nicht geklappt.

Seit Anfang November 2018, also rund acht Monate nach Auftreten der ersten Symptome, sind meine Hände zu 90 Prozent stabil. Ich kann unter Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen fast alles wieder tun, ohne ständig Angst vor Schmerzen und Verletzungen haben zu müssen. Kleinere Rückschläge kommen vor, klar. Als meine uralte Hündin im November „beinahe“ Vergiftungserscheinungen (O-Ton Tierarzt) zeigte und so krank und schwach war, dass ich dachte, sie überlebt es nicht, tauchten prompt neue Bläschen auf. Stress ist ein zusätzlicher Risikofaktor. Glücklicherweise konnte ich dem Ekzem gleich im Anfangsstadium den Garaus machen, sogar kortisonfrei. Und meine Hündin ist inzwischen wieder topfit.

2019 wird mir das Finanzamt zum zweiten Mal eine nicht vorhandene Gewinnerzielungsabsicht unterstellen. Kein Wunder, war 2018 buchverkaufstechnisch gesehen und im Vergleich zum Vorjahr doch so mager wie ich selbst im Sommer. Die ABSICHT ist ja letztlich gar nicht die Frage, aber krankheitsbedingte Ausfallzeiten interessieren das Finanzamt wenig.

Der neue Roman wächst und gedeiht. Immerhin. Es fehlen noch einige Kapitel, zwischendurch überarbeite ich das, was bereits geschrieben ist. Es wird ein nachdenklicherer Roman als „Ein Herz aus Marmelade“ werden. Das war nicht unbedingt das Ziel, aber es wundert mich nicht, dass mir keine heitere Lovestory aus den maladen Fingern fließen wollte. Neben Köln spielt die Handlung unter anderem in Portugal und Brasilien. Wenn nichts dazwischenkommt, rechne ich mit einer Veröffentlichung im Frühling, was drollig wird, da der Roman mit einer mehr oder weniger weihnachtlichen Szene beginnt. Da kam mir im Zeitplan halt ein bisschen was dazwischen …

Haben Sie ein friedvolles Weihnachten und rutschen Sie ohne Blessuren ins neue Jahr.
Lieben Sie. Genießen Sie. Und passen Sie gut auf sich auf, was auch immer Sie tun.

Es grüßt Sie herzlichst
Ihre Heidi Hensges

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